UX-Archäologie: Warum wir die Zukunft im Gestern finden
UX Design fühlt sich oft futuristisch an: KI-gestützte Interfaces, Spatial Computing, neuartige Interaktionen. Doch je weiter wir uns nach vorn bewegen, desto größer wird die Gefahr, die einfachen, menschlichen Prinzipien zu verlieren.
UX-Archäologie bedeutet:
Wir graben in den Geräten vergangener Jahrzehnte und finden Lösungen, die den Test der Zeit bestanden haben.
Nicht Nostalgie.
Sondern Erinnerung daran, wie Mensch-Maschine-Interaktion wirklich funktioniert.
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Der Walkman – Tasten, die man fühlen konnte
Bevor Displays die Welt eroberten, musste UX blind funktionieren.
Beim Walkman war jede Taste so gestaltet, dass die Finger wissen, was zu tun ist:
Play → Erhöhung in der Mitte
Stop → neutral, große Fläche
Vor / Zurück → spitz zulaufende Richtungstasten
→ Der Nutzer orientiert sich durch Berührung allein.
Was wir heute vergessen:
Smartphone-UI ist hochgradig visuell – aber keine Option beim Laufen, Autofahren, in der Sonne, für Menschen mit Sehbeeinträchtigung.
Moderne Übertragung:
Vibrations-Codes für Aktionen
“Reachability”-Design (wichtige Elemente unten)
Geräte, die Inputs antizipieren (kontextuelle Steuerung)
Blindbedienung ist König, wenn die Augen anderes zu tun haben.
Polaroid – Sofortfeedback als Experience
Polaroid war das Original-Instagram:
Foto machen → sofortiges Ergebnis in der Hand halten → sozialer Moment.
UX-Kern:
Kurzschluss zwischen Aktion und Belohnung
Feedback ist nicht nur Information, sondern Emotion
Heute relevant:
Ladeanimationen, Mikrointeraktionen, Live-Vorschau
UX als Bühne für Sharing Moments
Die Belohnung muss Teil des Flows sein
Nutzer lieben das Ergebnis – aber sie lieben den Weg dorthin noch mehr.
Game Boy – Lernen durch Spielen
Der Game Boy hatte kein Onboarding mit Theorie.
Der Nutzer drückte Tasten und verstand, was passiert. Sofort.
UX-Prinzip:
→ Exploration vor Instruktion
Heutige Apps dagegen:
Swipe-Carousel → Pop-up → „Darf ich dir alles erklären?“ → Nutzer weg.
Was wir übernehmen sollten:
Funktionen freischalten, wenn sie relevant werden
Fehler erlauben – sicher, reversibel, ohne Strafe
Tutorials in Micro-Schritten statt Infotafeln
Ein gutes Interface erklärt sich selbst, ein großartiges inspiriert zum Ausprobieren.
Nokia 3310 – UX ohne Angst
Das Nokia 3310 galt als unzerstörbar – aber auch die digitalen Entscheidungen waren unkaputtbar.
Löschen? → „Möchtest du wirklich …?“
Escape immer sichtbar
Jede Aktion rückgängig oder harmlos
UX-Lektion:
Fehlervermeidung durch Design, nicht durch Warnung
Undo > Confirm
Heutige Apps zwingen uns ständig zum Bestätigen, weil das Design selbst nicht sicher ist.
Sicherheit ist UX, nicht UI.
VHS & Kassette – Orientierung auf Zeitachsen
Die Kassette war eine lineare, aber greifbare TimeLine.
Man hörte, fühlte und sah den Fortschritt: Spulen, Rollen, Widerstand.
Heute: glatte Progress-Bars, null Sensorik.
UX-Lerneffekt:
Nutzer wollen Verlauf verstehen – wo sie sind, wo sie waren
Seek-Previews, Scrubbing-Thumbnails, Time Markers → Orientierung in Medien
Progress ist nicht nur Balken, sondern Kontext.
Die Maus – Intuition der Bewegung
Die Maus war eine Revolution, weil sie körperlogisch funktionierte:
bewegst du deine Hand, bewegt sich der Cursor.
Heute gilt das für Gesten, VR/AR, Voice.
UX-Prinzip:
Interface folgt dem Körper, nicht umgekehrt
Swipe, weil die Bewegung Sinn macht
Sprache mit natürlicher Semantik
Spatial Interfaces = physische Metaphern
Zukunfts-UX gewinnt, wenn sie sich natürlich anfühlt – nicht neu.
Die Waschmaschine – Priorisierung durch Nähe
Tausende Optionen hinter einem Drehknopf – aber nur die drei wichtigsten direkt im Zugriff.
Frequenz schlägt Vollständigkeit.
UX-Übertragung:
Primäre Ziele groß, zentral, erreichbar
Sekundäres: Menü, Ellipsis, progressive disclosure
“Weniger ist nutzbarer”
Wer alles gleich wichtig macht, macht alles unwichtig.
Schlussgedanke: Retro ist nicht rückwärts
Alte Geräte waren nicht besser, weil sie alt sind.
Sie waren besser, weil sie menschlicher waren.
Wenn Digitale Produkte frustrieren, lohnt der Blick zurück.
Nicht um zu kopieren – sondern um zu erinnern, was wir längst wissen.
UX-Archäologie ist ein Reality-Check:
Technologie wird komplexer.
Menschen nicht.