The Power of Defaults: UX Design durch Vorauswahl

„Menschen wählen nicht immer das Beste – sie wählen das Vorgegebene.“

Was wie ein Zitat aus der Verhaltensökonomie klingt, ist in Wahrheit einer der kraftvollsten Hebel im UX Design: Defaults. Voreinstellungen, die der Nutzer übernehmen kann, ohne aktiv eine Entscheidung zu treffen.

Ob beim Anlegen eines Nutzerkontos, beim Einrichten einer App oder beim Konfigurieren eines Produkts: Defaults lenken Entscheidungen – oft subtil, aber wirkungsvoll.

Digitalagentur | Expertin für UX | Marta
Marta Del Re  |  14.5.2025
Frau nutzt Laptop mit geöffneter LinkedIn-Startseite an einem Schreibtisch mit Notizbuch und Smartphone.

Was sind Defaults?

Defaults sind Voreinstellungen, die automatisch aktiv sind, wenn der Nutzer keine Auswahl trifft oder bewusst keine Entscheidung ändert.

Beispiele:

  • Ein Newsletter-Opt-in ist bereits aktiviert.

  • Die voreingestellte Sprache im Onboarding ist „Deutsch“.

  • Die Zahlungsart „Kreditkarte“ ist vorausgewählt.

  • Ein Häkchen bei „Ich stimme den AGB zu“ ist bereits gesetzt (was rechtlich problematisch sein kann – aber das ist ein anderes Thema).

Warum funktionieren Defaults so gut?

Menschen handeln oft kognitiv effizient, d.h. sie wählen den Weg des geringsten Widerstands. Voreinstellungen:

  • verringern Entscheidungslast

  • vermitteln eine Empfehlung („Das ist die Standard-Einstellung – also wohl die beste“)

  • beschleunigen den Flow durch weniger Interaktionen

Daniel Kahneman nennt das „System-1-Denken“ – schnell, automatisch, ohne Nachdenken.

Bekannte Beispiele aus der Praxis

  • Apple iOS Updates: Automatische Updates sind aktiv, außer der Nutzer ändert es – so bleibt das System aktuell.

  • Spotify Audioqualität: Standard ist „Automatisch“ – die App passt sich dynamisch dem Datenvolumen an.

  • Organ-Donor Defaults: Länder mit Opt-out-System (Spender automatisch, außer man widerspricht) haben deutlich höhere Spendenraten.

UX Design-Tipps: So nutzt du Defaults gezielt

  1. Setze Defaults bewusst, nicht aus Bequemlichkeit

    Frag dich: Welche Auswahl ist wirklich am sinnvollsten für die Mehrheit der Nutzer?

  2. Transparenz: Zeige, dass es sich um eine Vorauswahl handelt

    Der Nutzer sollte erkennen, dass er diese Einstellung ändern kann.

  3. Gestalte Defaults als Empfehlung – nicht als Zwang

    Gute Defaults geben Orientierung, lassen aber Handlungsspielraum.

  4. Vermeide manipulative Voreinstellungen („dark defaults“)

    Beispiel: Vorab angehakte Zusatzprodukte im Warenkorb – das untergräbt Vertrauen.

  5. Teste deine Defaults regelmäßig

    Nutzerverhalten verändert sich. Was früher sinnvoll war, kann heute Reibung erzeugen.

Checkliste: Wann ist ein Default gut?

  1. Spart es dem Nutzer eine Entscheidung?

  2. Passt es zur Mehrheit der Use Cases?

  3. Ist es transparent als Voreinstellung erkennbar?

  4. Kann man es einfach ändern?

  5. Entsteht kein Nachteil, wenn es übersehen wird?

Fazit: Defaults sind stille Designer

Voreinstellungen sind keine Nebensache – sie gestalten Verhalten. Wer Defaults gezielt, ethisch und nutzerzentriert einsetzt, schafft reibungslosere, effizientere und oft sogar bessere Nutzererlebnisse.

Gerade weil sie im Hintergrund wirken, verdienen sie umso mehr Aufmerksamkeit im UX Designprozess.

Tipp für dein nächstes Projekt:

Gehe jedes Formular, jede Einstellung und jeden Konfigurator durch – und frage dich: Was passiert, wenn der Nutzer nichts ändert?

Genau da beginnt die Macht der Defaults.

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