Wie „Contextual Personas“ im Zeitalter von Data-driven UX aussehen

Personas gehören seit Jahren zum festen Werkzeugkasten im UX-Design. Sie helfen Teams, Nutzerbedürfnisse zu verstehen, Empathie aufzubauen und Entscheidungen zu treffen.

Doch seien wir ehrlich: In vielen Projekten hängen Personas als hübsche Poster an der Wand – aber kaum jemand bezieht sich aktiv auf sie. Warum? Weil sie oft zu statisch, zu vereinfacht und zu weit weg von echten Nutzungsdaten sind.

Zeit, das Konzept neu zu denken.

Digitalagentur | Expertin für UX | Marta
Marta Del Re  |  21.10.2025
Mehrere Polaroidfotos von verschiedenen beruflich gekleideten Personen liegen auf einem Holztisch verstreut.

Warum klassische Personas an ihre Grenzen stoßen

Traditionelle Personas basieren häufig auf Interviews, Workshops und Annahmen. Das ist ein guter Start, aber:

  • Sie erfassen selten situatives Verhalten (z. B. wie sich das Nutzerziel je nach Kontext ändert).

  • Sie veralten schnell – vor allem in agilen Umgebungen mit schnellen Produktzyklen.

  • Sie sind nicht datengetrieben: Nutzungsdaten, Analytics oder Machine-Learning-Insights fließen kaum ein.

  • Sie wirken oft statisch und eindimensional: „Lisa, 32, Marketing Managerin, liebt Kaffee und Yoga.“ Nett, aber wenig handlungsleitend.

UX-Design bewegt sich heute in einer Welt, in der sich Bedürfnisse dynamisch verändern – je nach Kontext, Gerät, Tageszeit oder Stimmung. Genau hier kommen Contextual Personas ins Spiel.

Was sind Contextual Personas?

Contextual Personas sind flexible, dateninformierte Personas, die den Kontext der Nutzung stärker in den Mittelpunkt stellen.

Statt „einer festen Person“ sprechen sie über Muster im Verhalten, die sich je nach Situation verändern können.

Beispiel:

Ein und dieselbe Person kann „effizienzgetrieben“ handeln, wenn sie im Büro sitzt, aber „entspannungsorientiert“, wenn sie abends auf der Couch dieselbe App nutzt.

Contextual Personas sind also nicht starr, sondern zustandsbasiert. Sie kombinieren qualitative Insights (z. B. Interviewdaten) mit quantitativen Mustern (z. B. Nutzungsdaten, Clusteranalysen, Heatmaps).

Wie man Contextual Personas entwickelt

Hier ist ein möglicher 4-Schritte-Prozess:

  1. Verhaltensmuster erkennen

    → Nutze Logdaten, Analytics, oder sogar KI-basierte Segmentierungen, um Nutzungsverhalten zu identifizieren.

    Beispiel: Wann wechseln Nutzer zwischen Desktop und Mobile? Wann brechen sie ab?

  2. Kontext definieren

    → Analysiere, wann und warum sich Verhalten verändert. Kontext kann sein: Ort, Zeit, emotionaler Zustand, Gerät, soziales Umfeld etc.

  3. Qualitative Tiefe hinzufügen

    → Ergänze Daten durch Interviews oder Tagebuchstudien, um zu verstehen, was Menschen in diesen Kontexten antreibt.

  4. Personas dynamisch visualisieren

    → Erstelle keine PDF-Personas mehr, sondern lebendige Dashboards oder interaktive Tools, die Verhalten im Kontext zeigen.

    (Tools wie Notion, Airtable, Miro oder Figma eignen sich super dafür.)

Ein Beispiel: Streaming-App

Klassische Persona:

Lisa, 29, Filmfan, schaut gerne Serien am Abend zur Entspannung.

Contextual Personas:

  • Lisa @Home (Entspannungskontext) – schaut lange Serien, sucht nach Empfehlungen.

  • Lisa @Commute (Unterwegs-Kontext) – schaut kurze Clips, nutzt Offline-Modus.

  • Lisa @Friends (Sozialkontext) – sucht Trailer, teilt Watchlists.

Drei unterschiedliche Nutzungssituationen, drei unterschiedliche UX-Anforderungen – aber ein und dieselbe Person.

Was das für Teams bedeutet

Der Umstieg auf Contextual Personas verändert auch die Zusammenarbeit:

  • UX Research wird datengetriebener und iterativer.

  • Designentscheidungen können sich flexibler an Kontexten orientieren.

  • Stakeholder verstehen besser, dass Nutzer*innen nicht linear sind, sondern dynamisch reagieren.

Kurz gesagt:

Personas werden zu Systemen, nicht zu Steckbriefen

Fazit

Die Zeit der „Poster-Personas“ ist vorbei.

UX-Teams, die Nutzer wirklich verstehen wollen, brauchen dynamische Modelle, die Verhalten im Kontext zeigen.

Contextual Personas sind ein Schritt in Richtung realitätsnäherer Empathie – eine Brücke zwischen Data Analytics und Human Insight.

Oder, anders gesagt:

Nicht wer der Nutzer ist, sondern in welchem Moment er sich befindet, entscheidet über gute UX.

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